Das alte Schul- und Rathaus Breuningsweiler

Es liegt ein wenig wie im Dornröschenschlaf da, an seinem angestammten Platz im Dorf, das alte Schul- und Rathaus. Nur selten noch gehen Breuningsweiler ein und aus durch die Tür. Lediglich bei Dorffesten ist ab und zu Leben im ältesten noch existierenden öffentlichen Gebäude der Ortschaft. Und doch verbinden alle alteingesessenen Breuningsweiler Kindheits- und Jugenderinnerungen mit dem alten Schul- und Rathaus. Es wirkt vernachlässigt. Der moderne, viel zu ebenmäßige Putz, die großen, ungeteilten Glasfenster lassen kaum noch etwas ahnen von dem Charme, den ein Haus aus dem frühen 19. Jh. ja durchaus haben könnte. Mit diesem Artikel möchte ich Sie, liebe Leserinnen und Leser, an seine Entstehung und ortsgeschichtliche Bedeutung erinnern.

 

Geplant war die Errichtung eines ersten Schulhauses am Ort für das Jahr 1827, wie der frühere Dorfschullehrer Erhard Pape 1993 in einem Aufsatz schreibt. Die Gemeinde erhielt vom Königreich Württemberg 50 Gulden gestiftet und sollte weitere 800 Gulden für den Bau durch vier Jahresumlagen in der Bürgerschaft aufbringen. Statt dessen ergriff man die Gelegenheit, ein schon bestehendes, etwa 40 Jahre altes, geringes Haus um 400 Gulden für die Kommune zu erwerben und als Schulgebäude einzurichten. Das alte Schulhaus muss im Kern also aus den Jahren 1780/1790 stammen, und bestand ursprünglich wohl aus einem Wohnhaus mit Scheune unter einem Dach. Mit dem Schulraum im Erdgeschoss wurde gleich eine Ratsstube im ersten Stock eingerichtet. Der Feuerteich lag unmittelbar nebenbei: Die Scheune wurde nun als Feuerspritzenremise genutzt.

 


Im Primärkataster von 1837 sieht man auf der Parzelle Nr. 50 (von insgesamt 55!) das alte Gebäude mit seinem rechtwinkligen Grundriss eingezeichnet. Die Scheune wurde erst im Jahr 1851 unterkellert. Bereits 1836 war eine undenklich alte Uhr auf dem Dach für 70 Gulden durch eine neue ersetzt worden. Da mit der Einrichtung des Schulraumes überhaupt erstmalig sonntags Gottesdienst im Dorf gefeiert werden konnte, wurde der Lehrer von der Kommune (oder Kirchengemeinde?) zugleich als Mesner angestellt und hatte die Glocke auf dem Dach zu läuten. – Außerdem gab es nun auch einen beheizbaren Arrest im Haus.

 

In dem früher durchweg landwirtschaftlich und vom Weinbau geprägten Breuningsweiler waren Kinder von klein auf wichtige Mithelfer und Arbeitskräfte in Haus, Stall und auf dem Feld. Der Schulunterricht war in Württemberg bald nach der Reformation verpflichtend für alle Jungen und Mädchen eingeführt worden. Während der Sommermonate versäumten die Kinder in ländlichen Gebieten aber oft den Unterricht, weil sie in der Landwirtschaft gebraucht wurden. Von Seiten des Staates und der Schulaufsichtsbehörde wurde immer wieder angemahnt, die Kinder regelmäßiger zur Schule zu schicken. Während der wichtigsten Erntezeiten im Jahr wurden die Kinder freilich vom Unterricht befreit. Erhard Pape erwähnt immerhin zwei Breuningsweiler Bürger, die im 19. Jh. noch jeweils für 24 Stunden im Arrest waren wegen unentschuldigten Fehlens ihrer Kinder im Unterricht. Und obwohl der Schulbesuch verpflichtend war, forderte der Staat pro Kind und Jahr Schulgeld ein: 1823 waren es 1 Gulden und 12 Kreuzer. Vom Schullehrer eingesammelt, floss es in die Kasse der jeweiligen Kommune.

 


Der seit 1851 in Breuningsweiler tätige Lehrer Karl Friedrich Schneider war seinerseits Nebenerwerbslandwirt. Auf seine Bitte hin richtete die Kommune im Schulhaus unter der Lehrerwohnung einen Viehstall mit Trog und Raufe ein, und die Fläche zwischen Schulhaus und Löschwasserteich wurde wohl als Küchengarten genutzt.

 

Im Feuerversicherungsbuch der Gemeinde Breuningsweiler (begonnen 1868) findet sich die früheste mir bekannte bauliche Beschreibung des Hauses: Ein 2 stöckiges Schul- und Rathaus, mit gewölbtem Keller, Steinsockel und Riegelgemäuer (Fachwerk) und einem Plattendach. Als Zubehörden werden genannt: Eine Turmuhr mit Glocke (125 Pfund).

 

Das alte Schul- und Rathaus mit der vielleicht ersten öffentlichen Uhr im Dorf, eben als Schule und Ort für Ratsversammlungen, mit der Arrestzelle und der Feuerspritzenremise war zweifellos über lange Zeit das zentrale kommunale Gebäude für die Bevölkerung in Breuningsweiler. Es repräsentiert wie kein anderes etwas von der Geschichte des Ortes seit dem 19. Jh., sowohl in Bezug auf Bildung und Zukunftseröffnung für die Menschen, als auch obrigkeitlicher Kontrolle und Zwang. Aber ohne Erinnerung gibt es keine Zukunft. Wie sollten wir sonst Gutes bewahren und Ungutes positiv verändern können?!

 


Im Jahr 1911 wurde das Schul- und Rathaus durch einen Anbau auf der  Rückseite erweitert. Im Winnender Stadtarchiv finden sich noch die Bauakten und damit erstmalig Grund- und Aufrisse des Gebäudes.

 

Der Lageplan lässt sowohl die eigentlich geringfügige Erweiterung des Gebäudes erkennen, als auch die Ausmaße des Wasserteichs zwischen Schulhaus und Backhaus (seit 1901 in Betrieb).

 

Der Grund- und Aufriss zeigt den mit einem Walmdach bedeckten Anbau. Im ersten Stock erhielt die Lehrerwohnung eine neue Küche. Die beiden Toiletten waren möglicherweise auch für das Ratszimmer eine wesentliche Verbesserung. Der Lageplan wie auch die Baupläne stammen aus dem Jahr 1909.

 

Die aktuelle Rückseite des Gebäudes zeigt noch die Grundgestalt der Erweiterung von 1911, obwohl sich auch hier inzwischen manches verändert hat. Schon die Ansichtszeichnung aus der Umbauzeit zeigt, dass man sich weniger an ästhetischer Gestaltung, als an praktischer Zweckmäßigkeit orientierte. Aber auch das gehört ja zur Baugeschichte eines alten Schul- und Rathauses einer ehemals mit nur bescheidenen finanziellen Mitteln ausgestatteten dörflichen Kommune. Auch das ist durchaus des Erinnerns wert.

 

Wolfgang Adelhelm

 

 

Quellen: Erhard Pape, Schule in Breuningsweiler, in: Breuningsweiler, Einblicke in 700 Jahre Ortsgeschichte, 1973 | Stadtarchiv Winnenden: Gemeinde Breuningsweiler, Feuerversicherungsbuch, ab 1868 |  und: Bauakten Breuningsweiler, ab 1879 |  Landratsamt WN, Vermessungsamt: Primärkataster Breuningsweiler, 1837

Text und Bilder:

Gemeindebrief Pfingsten 2016 Ev. Kirchengmd. Breuningsweiler